Lerntipps

Angst essen Gedanken auf … *)

Angst vor Prüfungen "Morgen hast du deinen Termin beim Zahnarzt!" rief die Mutter, als sie vor dem Weggehen noch einen Blick in Alexanders Zimmer warf.

"Ich weiß!" erwiderte dieser und zuckte bei dem Gedanken daran zusammen.

Er saß gerade bei den Übungsaufgaben, die der Mathematiklehrer für die Schularbeit in der nächsten Woche ausgeteilt hatte. Sie waren zwar nicht allzu schwierig, aber immerhin war diese Schularbeit die letzte Chance, die doch eher betrübliche Vier im Abschlusszeugnis der Klasse zu vermeiden.

Seufzend nahm er seinen Taschenrechner und tippte die Angabe ein.

"Die Quadratwurzel von Siebenundvierzigkommaelf ist gerundet auf zwei Stellen Sechskommaacht … Hoffentlich komme ich gleich dran und muss nicht wieder so lange warten wie beim letzten Mal!"

Alexander erinnerte sich, dass dieses Mal eine Wurzelbehandlung anstand, aber: "Da bekommst du ja vorher eine Spritze!" hatte der Arzt gesagt, wohl um ihn zu trösten.

"Wo war ich stehen geblieben? Die Wurzel aus Vierundsiebzig ... Wurzel ... Wurzelbehandlung! Da wird doch der Zahn ganz tief aufgebohrt ... "

Das Wurzelzeichen des Taschenrechners erinnerte ihn an eines dieser zahlreichen Instrumente, die Zahnärzte schon vor der Behandlung scheinbar genüsslich vor dem Patienten ausbreiten. Mit der Vorbereitung auf die Schularbeit war es vorbei. Sooft Alexander eine Übungsaufgabe in Angriff nahm, irgendwann landeten seine Gedanken beim Zahnarzt …

Was ist Angst?

PsychologInnen und andere Fachleute haben viel mit den Ängsten von Menschen zu tun, was wohl zu den schwierigsten Aufgaben gehört, die sie in ihrem Beruf bewältigen müssen. Sie wissen aus ihrer täglichen Arbeit, dass es viele Dinge gibt, vor denen SchülerInnen Angst haben: vor Schularbeiten und Prüfungen, einzelnen Gegenständen, manchen LehrerInnen, davor, eine schlechte Note nachhause zu bringen, aber auch davor, unvorbereitet etwas gefragt zu werden, dass ihnen bei einer Schularbeit plötzlich nichts mehr einfällt oder dass sie zu wenig Zeit zum Lernen haben.

Wie die Angst vor dem Zahnarzt können auch diese Ängste dazu führen, dass man sich beim Lernen mehr mit den Ängsten beschäftigt als mit dem Lernstoff. In schlimmen Fällen wird die Lernzeit von solchen Gedanken schließlich ganz aufgefressen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass 15 Prozent aller SchülerInnen Angst vor der Schule haben. Aber es gibt wohl kaum SchülerInnen, die nicht ab und zu von Ängsten geplagt werden.

Das Wichtigste im Umgang mit der Angst ist, dass man nicht versucht, vor ihr davonzulaufen, etwa indem man sich einredet, dass sie gar nicht da sei. Es ist nämlich eine typische Eigenschaft der Angst, dass sie nach kurzer Zeit wieder lautlos in unsere Gedanken schleicht, ob wir es wollen oder nicht! Das ist so wie mit Zahnschmerzen: man kann zwar ein Pulver nehmen, aber irgendwann klingt dann die Wirkung des Pulvers ab und der Schmerz ist wieder da. Gegen die Angst gibt es aber kein Pulver!

Beim Zahnschmerz ist es ganz klar: man muss die Ursache beseitigen, also den kaputten Zahn reparieren lassen. Das ist aber viel einfacher als die Ursachen einer Angst zu beseitigen. Wenn ein Schüler vor einem Gegenstand oder einer Schularbeit Angst hat, dann denkt er, dass er nichts dagegen unternehmen kann. So kommt zur Angst häufig das Gefühl der Hilflosigkeit hinzu. Das führt dazu, dass er darauf verzichtet, etwas gegen diese Situation zu unternehmen, und sich so in sein vermeintliches Schicksal ergibt.

Wir haben aber nur dann Aussicht auf Erfolg, etwas gegen unsere Angst zu unternehmen, wenn wir uns bewusst mit ihr beschäftigen, auch wenn das zunächst unangenehm ist. Entscheidend ist dabei, dass wir selber auf die Angst zugehen und nicht warten, bis sie uns einholt!

Hilfe bei Angst

Werden Ängste zu groß, dann sollten wir überlegen, wer uns helfen kann, etwas dagegen zu unternehmen. Ein großer Teil jeder Angst ist nämlich das Gefühl, allein gegen einen übermächtigen Gegner zu stehen. Wenn man mit jemandem über seine Angst spricht, dann kann das erleichternd sein und man kann hoffen, einen Verbündeten zu finden. Das kann ein Freund oder eine Freundin sein, der Vater oder die Mutter, eine Lehrerin oder ein Lehrer, aber auch ein Stofftier tut es zur Not. Mit jemandem über seine Angst zu sprechen ist auch das wichtigste Mittel, das PsychologInnen anbieten können.

Mit einem Verbündeten kann man leichter Möglichkeiten und Wege finden, es in Zukunft gar nicht erst so weit kommen zu lassen, dass man von der Angst überwältigt wird. Vielleicht ist eine bessere Lernplanung oder ein Gespräch mit dem Lehrer eine Chance, vielleicht hilft eine Liste der Dinge, die man unternehmen kann, damit man gar nicht in die Lage kommt, Angst vor einem Prüfungstermin zu bekommen.

Auf dem Papier liest sich das alles natürlich viel einfacher als es ist! PsychologInnen aber wissen auch: Jeder Mensch hat Ängste - sie gehören gewissermaßen zum Menschen dazu. Ängste sind grundsätzlich nichts Schlechtes, sie lassen Menschen über sich selbst hinaus wachsen, treiben sie an, mehr zu leisten. Aufkeimende Angst ist wie Fieber oder Schmerz ein Signal, zwar unangenehm aber lebensnotwendig. Wir sollten Ängsten daher von Beginn an nicht ausweichen, sondern versuchen, Gegenkräfte zu entwickeln: Mut, Vertrauen, Hoffnung.


*) Der Titel ist angelehnt an den berührenden Film Rainer Werner Faßbinders "Angst essen Seele auf" aus dem Jahr 1973, der die Angst des einzelnen vor Einsamkeit und seine Suche nach Wärme und Geborgenheit zeigt. 





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