"Mein Gedächtnis ist wie ein Sieb!"
Mehr als 100 Jahre alt ist eine der merkwürdigsten Erkenntnisse der psychologischen Lernforschung, die trotz ihres ehrwürdigen Alters erstaunlich wenig beachtet wird: Die Vergessenskurve.Herrmann Ebbinghaus hat sie um 1885 entdeckt und in vielen Versuchen genauer untersucht. Er stellte fest, dass nach dem ersten mühsamen Erlernen eines Gedichtes dieses dann leider noch nicht endgültig und auf Dauer im Gehirn gespeichert ist. Ganz im Gegenteil: Überlässt man das Gedicht nun seinem Schicksal und prüft es etwa nach einer Stunde, ist im Durchschnitt etwa die Hälfte wieder verschwunden. Jeder neue, frisch eingeprägte Inhalt versickert also mit beachtlicher Geschwindigkeit irgendwo zwischen unseren Gehirnwindungen. Und das geht immer so weiter. Zwar wird die Kurve mit der Zeit glücklicherweise bald etwas flacher, doch bleibt im Durchschnitt tatsächlich nicht mehr als etwa ein Fünftel im Gedächtnis hängen.
Dieses natürliche "Verdunstungsbestreben" frisch gelernter Inhalte war wohl schon vorher aus Beobachtungen alltäglicher Lernsituationen bekannt und man hat eine Reihe von »Methoden entwickelt, die ein Versickern neu gelernter Inhalte verhindern sollten. Die nahe liegendste war - so wie es auch Claudia tat -, eben nicht nur so lange zu lernen, bis man einen neuen Inhalt "gerade eben" beherrscht, sondern darüber hinaus weiter zu büffeln, also den Lernstoff fünf, zehn oder sogar zwanzigmal öfter zu wiederholen als eigentlich nötig ist und zu hoffen, dass durch dieses "Überlernen" der Gedächtnisverlust vermindert wird.
Diese so nahe liegende Strategie ist aber leider völlig nutzlos. Er konnte zeigen, dass Menschen, die einen Inhalt nur so lange lernen, bis sie ihn gerade beherrschen, und andere Personen, die im Anschluss daran noch eine große Zahl von weiteren Wiederholungen vornehmen, am nächsten Tag fast gleich viel wiedergeben können.
Wie lässt sich aber der beachtliche Verlust eines neu gelernten Inhaltes verhindern?