Der Kampf der Gedankensplitter
Vor über 100 Jahren hat der ungarische »Psychiater Paul Ranschburg das "Gesetz der Ähnlichkeitshemmung" entdeckt: Zu ähnliche Inhalte vermischen bzw. überlagern sich beim Lernen und Wiedergeben, wodurch Störungen entstehen, die den Lernvorgang und das spätere Erinnern hemmen. Er empfahl, dass solche Inhalte getrennt und mit zeitlichem Abstand vermittelt und gelernt werden sollten. Wenn ähnliche Inhalte zur selben Zeit wahrgenommen, also z. B. gehört oder gelesen werden, oder auch bei einer Prüfung wiedergegeben werden müssen, dann führt das zu einer Art wechselseitiger Blockade der Gedanken, da diese im Gehirn beinahe gleichzeitig oder kurz hintereinander dieselben "Gedankensplitter" in Anspruch nehmen.
Ein typisches Beispiel für solche Verwechslungs- und Blockadeprobleme sind Menschen, die sich noch im Erwachsenenalter schwer tun, rechts und links rasch auseinander zu halten. Bei diesen hatten Eltern oder LehrerInnen in der frühen Kindheit versucht, die Unterscheidung der beiden Richtungen gleichzeitig und manchmal noch mit "verkehrten" Lernhilfen wie "Rechts ist dort, wo der Daumen links ist!" beizubringen. Das führte aber nur dazu, dass keine der beiden "Richtungen" sicher gelernt wurde, sondern sich von Anfang an bloß der Zweifel verfestigt hatte, was denn nun in einer konkreten Situation die "richtige" Seite wäre.
Auf dem Arbeitsblatt der Englischlehrerin waren nun einander ähnliche "Gedankensplitter" in räumliche und beim häuslichen Lernen auch zeitliche Nähe gerückt worden, wie sie im alltäglichen Gebrauch nicht vorkommen. Wenn ein Schüler nun beim Lernen oder bei der Prüfung gegen diese Blockaden ankämpfen muss, dann führt das schließlich dazu, dass er immer unsicherer wird, ob er nun den richtigen "Gedankensplitter" verwendet oder nicht. Möglicherweise steht der gar nicht zur Verfügung, da er vom vorigen Gebrauch noch besetzt oder blockiert ist.