Als Philipp mittags von der Schule nachhause kam, dachte er schon an das Tennisspiel, für das er sich mit seinem besten Freund Fabian für fünf Uhr verabredet hatte. Kopfschüttelnd beobachtete seine Mutter, wie er das Mittagessen hinunterschlang.
"Lass dir doch Zeit!" mahnte sie.
"Ich habe noch so viel zu lernen! Nein danke, keine Nachspeise!" und schon war er in seinem Zimmer verschwunden, in dem er sich sogleich über die Hausübungen machte. Die zwei Mathematikbeispiele waren rasch gerechnet und auch die Einsetzübung für Englisch war kein wirkliches Problem. "So bleiben mir noch drei Stunden für die Geschichteprüfung", dachte er. Lerngegenstände mochte Philipp nicht besonders, da hier so viele Dinge zu pauken waren, die man ja doch nie mehr im Leben brauchte!
"Jaja!" seufzte er, "Seneca hatte mit seinem 'Non vitae, sed scholae discimus!'*) schon recht."
Als seine Mutter einmal nach ihm sah, hockte Philipp über seinem Geschichtsbuch und beschäftigte sich mit den Reden Ciceros im römischen Senat. Fast bis halb fünf Uhr las er immer wieder die Kapitel durch, die der Lehrer als Prüfungsstoff angegeben hatte.
Da Philipp um seine Schwäche bei diesen so genannten Lerngegenständen wusste, opferte er ihnen vor allem gegen Schulschluss besonders viel Zeit. Während er in Mathematik und auch in den Sprachen keine Probleme hatte und gute Noten erhielt, hatte er in den Lernfächern selten mehr als eine Drei und manchmal sogar nur eine Vier. Seine Eltern machten ihm deshalb auch keine Vorwürfe, denn sie sahen ja, dass er viele Stunden mit seinen Büchern verbrachte.
Diese Erfahrung machen viele SchülerInnen, dass für manche Gegenstände ganz leicht und rasch gelernt wird, bei anderen Fächern aber trotz großem zeitlichen Lernaufwand nur wenig Lernerfolg herauskommt. Warum das so ist, kann in einer einfachen Formel ausgedrückt werden: der
Der Lernerfolg eines Schülers setzt sich aus zwei Teilen zusammen
Das ist für jeden sicher leicht nachvollziehbar und wir hätten wohl auch keinen Lerntipp dazu schreiben müssen, doch "der Haken" an der Sache kommt erst: Psychologen - das sind Wissenschaftler, die sich seit mehr als hundert Jahren auch eingehend mit dem menschlichen Lernen beschäftigen - haben festgestellt, dass diese beiden Bestandteile der Formel Faktoren einer Multiplikation sind! Und wenn Philipp in Mathematik aufgepasst hat, dann weiß er, dass das Produkt zweier Faktoren dann gegen Null geht, wenn einer der beiden Faktoren gegen Null geht.
Wenn Philipp also viele Stunden über seinen Büchern sitzt, ihn aber der Stoff sehr wenig oder überhaupt nicht interessiert, er also keinen wirklichen Sinn darin sieht, das jetzt zu lernen, dann wird der Lernerfolg trotz seines großen zeitlichen Aufwandes gering bleiben.
Genauso wenig wird es ihm zum Beispiel nützen, wenn er sich zwar sehr für das Spielen der Gitarre oder eines anderen Musikinstrumentes interessiert und er liebend gerne Musik machen würde, aber überhaupt keine Zeit zum Besuch einer Musikschule oder zum Üben aufwendet. In diesem Fall wird er wohl sein Leben lang eher den MP3-Player anwerfen als aktiv selber Musik machen können.
Philipp sollte daher versuchen, für sein Lernen ein konkretes Ziel zu finden, das der innerlich antreibende Hintergrund für sein Lernen sein kann. Vor jedem Lernen müsste sich Philipp also fragen, wofür er denn diesen Lernstoff vielleicht einmal doch gebrauchen kann. Wenn man genau nachdenkt, dann findet man für die meisten Lerninhalte irgendeine Anwendungsmöglichkeit.
Und wenn man das nicht schafft, dann sollte man sich vielleicht damit motivieren, dass man die anderen mit seinem Wissen überraschen kann. Vielleicht kann man ja einige LehrerInnen damit sogar ärgern ;-)
Manchmal kann man sich vielleicht auch damit motivieren, dass man sich für das Lernen mit einer Kleinigkeit belohnt, also sich danach mit gutem Gewissen ein Video anschaut oder mit seinem Freund eine Stunde Tennis spielt. Das kann aber immer nur ein Hilfsmittel zur Motivation sein, denn solche Belohnungen, die mit der Sache selbst nichts zu tun haben, die wirken bei weitem nicht so gut wie ein Interesse am Stoff selber!
Philipp sollte sich also die Zeit nehmen, vor dem Lernen darüber nachzudenken, wofür dieser Geschichtsstoff vielleicht doch einmal nützlich sein könnte - vielleicht für die nächste Urlaubsreise nach Italien, vielleicht für die Verhandlungstaktik mit seinem Vater zur Erhöhung des Taschengeldes
*) Übersetzt heißt dieser lateinische Spruch: "Nicht für das Leben sondern für die Schule lernen wir!" Dieser Ausspruch von Lucius Annaeus Seneca der Jüngere, der Erzieher und Berater des römischen Kaiser Nero war, wird meist aber umgekehrt und daher falsch zitiert.