Lerntipps

Das Gehirn aufwärmen

Walter war an diesem Tag einfach nur müde. Schon in der dritten Unterrichtsstunde wäre er beinahe eingeschlafen, hätte ihn seine Banknachbarin Barbara nicht geschubst. Auf dem Nachhauseweg von der Schule fühlte er sich schon etwas besser und nahm sich vor, gleich nach dem Mittagessen mit den Hausaufgaben zu beginnen, denn er hatte in der letzten Woche Einiges an Lernarbeit vor sich her geschoben, was aber für morgen erledigt werden musste. Er wusste, er würde heute nicht wie sonst an so einem schönen Herbsttag mit seinen Freunden im nahen Park Fußballspielen gehen können.

Seine Mutter hatte eines seiner Lieblingsgerichte gekocht und bot ihm als Nachtisch sogar Eis an, das sich Walter aber als Belohnung für eine Lernpause aufsparen wollte. Sie war auch ein wenig überrascht, dass er sich gleich nach dem Essen in sein Zimmer zurückzog, um mit den Hausaufgaben zu beginnen.

Walter holte alle Hefte und Bücher aus seinem Schulrucksack und legte sie vor sich auf den Schreibtisch. Dabei fiel ihm die Füllfeder auf den Boden und er bückte sich seufzend hinunter, um sie aufzuheben. Sein Blick fiel dabei auf ein Comic-Heft, das er gestern vor dem Einschlafen zu lesen begonnen hatte und das nun neben seinem Bett auf dem Teppichboden lag. „Nein“ sagte er zu seinem inneren Schweinehund. „Zuerst die Arbeit, dann das Vergnügen!“ Er hob das Heft auf und warf es auf das Bett, wo sein großer Teddybär saß. „Du hast es gut! Du brauchst keine Hausaufgaben machen!“ meinte er seufzend.

Irgendwie gelang es ihm aber nicht, sich zu  »konzentrieren, und als seine Mutter ihm wie üblich nach einiger Zeit ein Getränk in sein Zimmer brachte, fand sie ihn an seinem Schreibtisch sitzend und vor sich hindösend.

„Wie weit bist du schon mit deinen Aufgaben? Ist heute viel zu machen?“ erkundigte sie sich. „Ich fang ja gleich an!“ versicherte Walter und öffnete das erstbeste Heft.

Walter ist nicht der Einzige, dem es schwer fällt, mit seinen Hausaufgaben anzufangen. Dazu muss man gar nicht so müde sein wie er es an diesem Tag war. Während in der Schule durch die LehrerInnen mehr oder minder vorgegeben wird, was man im Augenblick zu tun hat, muss man bei seiner häuslichen Arbeit immer sich selber den Anstoß geben, mit lesen, schreiben oder wiederholen anzufangen. Welche Schülerin oder welcher Schüler kennt das nicht, dass er nachmittags vor den Büchern sitzt und mit dem Radiergummi spielt, durchs Fenster hinausschaut, Männchen auf die Schreibunterlage malt oder einfach nur vor sich hinträumt.

Diese Schwierigkeit, möglichst gleich nach dem Hinsetzen an seinen Arbeitsplatz mit den Hausaufgaben anzufangen, ist ganz natürlich und hat viele Ursachen.Zunächst einmal muss sich das Gehirn überhaupt auf Lernen einstellen. Es muss sich von dem lösen, was man vorher getan hat, ob das nun Mittagessen, Musikhören, Telefonieren oder auch Nichtstun war. Diese Umstellung kann nicht schlagartig erfolgen, sondern braucht ihre Zeit. Auch SportlerInnen beginnen nicht gleich mit ihrer Höchstleistung, sondern benötigen eine Aufwärmzeit. Auch beim Lernen benötigt man eine solche und sollte diese bewusst in seinen Arbeitsablauf einplanen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass man in der ersten Viertelstunde verhältnismäßig wenig leisten kann, da sich unsere Gehirnleistung und unsere Konzentrationsfähigkeit nur allmählich steigert. Erst nach etwa fünfzehn Minuten erreicht die Leistungsfähigkeit den zum intensiven Lernen notwendigen Höchststand.

Daher ist der Tipp, den manche geben, zuerst das Schwierigste bei den Hausaufgaben zu erledigen, um es dann leichter bzw. hinter sich zu haben, nicht besonders hilfreich, denn während dieser Aufwärmzeit muss sich unser Gehirn noch recht plagen, um auf Touren zu kommen. Wenn man sich ein wenig beim Lernen beobachtet, merkt man dann auch sehr deutlich, dass man sich in diesen ersten Minuten besonders anstrengen muss aber trotzdem nur wenig weiterbringt. Diese Plagerei erzeugt dann manchmal nur einen gewissen »"Frust", der sich auch auf das Lernen nach dem Aufwärmen auswirken kann.

Das Gehirn aufwärmen

FönDaher sollte man für diese Aufwärmzeit einen geeigneten leichteren Lernstoff aussuchen, vielleicht einen Abschnitt aus einem Lehrbuch, den man nur durchlesen muss, oder auch eine Wiederholung, bei der man seine Notizen aus der Schule in Reinschrift bringt. SchülerInnen wissen sicher selber am Besten, welche Arbeiten leicht von der Hand gehen und bei denen der Kopf nicht gleich zu rauchen beginnt. Und wenn man sich für diesen Lernstoff zum Aufwärmen auch noch persönlich interessiert und ihn einigermaßen interessant findet, um so besser ist es. Denn dann hat man das Gefühl, das man schön langsam ins Lernen und Arbeiten hineinkommt.

Am Beginn der Hausaufgaben sollte daher immer die kurze Überlegung stehen, was sich für einen solchen Einstieg besonders gut eignet. Diese Überlegung gehört übrigens auch zur Lernplanung dazu, wie wir sie in einem früheren Lerntipp (Management für die Schule?) vorgeschlagen haben. Mit der Zeit wird das Planen des folgenden Lernens diese Aufwärmphase auch unterstützend einleiten, denn sie gehört eigentlich an den Beginn jeder Arbeit.

Anfangs sollte man diese Planung auch schriftlich machen. So könnte Walter nach dem Ausräumen der Schultasche einen Zettel nehmen und die Aufgaben aufschreiben, die bis morgen erledigt sein müssen. Eine solche Aufstellung hilft auch, nichts zu vergessen. Dann könnte er die Arbeiten nach Schwierigkeit ordnen und durchnummerieren. Wenn die Aufgaben sehr umfangreich sind, sollte er auch gleich eine Pause einplanen. Wenn sehr viele Hausaufgaben anstehen und einige Stunden Lernen anstehen, dann sollte er auch daran denken, dass man mit der Zeit müde wird und ans Ende nicht unbedingt die schwierigsten Lernstoffe stellen, sondern vielleicht wie beim Anfangen etwas Einfacheres, mit dem man die Lernzeit ausklingen lassen kann.


Übrigens: Unser Lerntipp wird schon von anderen abgekupfert! Auf einer Internetseite heißt es: "Forscher der Yale Universität erfreuen uns immer wieder mit guten Neuigkeiten. Diesmal haben sie den Effekt eines fünfminütigen Warm-Up-Gehirntrainigs auf den Lernerfolg von Schulkindern untersucht. Das Ergebnis: Die trainierten Kinder schnitten sowohl unmittelbar nach der Session, als auch nach einem 4-monatigen Trainingskurs besser als ihre Vergleichsgruppe ab. Das menschliche Gehirn kann durch nur 5 Minuten Gehirntraining auf die kommenden kognitiven Herausforderungen besser vorbereitet werden. So können Sie vor einer wichtigen Aufgabe, die Ihre volle Konzentration und Gehirnleistung erfordert, Ihren Geist in nur 5 Minuten aufwärmen und fit machen."





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