Lerntipps

Wie lesen Leseprofis?

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"Bis zum nächsten Mal lest bitte die Seiten 127 bis 150 über die Entwicklung des Römischen Reiches durch. Wir werden dann darüber diskutieren!" sagte der Geschichtslehrer am Ende des Unterrichts, schloss sein Buch mit einem Knall, nickte den SchülerInnen kurz freundlich zu und verließ die Klasse.

"Uff!" stöhnte Alex, "schon wieder so viele Seiten lesen!"

"Dafür brauch' ich mindestens 2 Stunden", pflichtete Christian bei und dachte schon daran, wie er sich um diese Arbeit drücken könnte. "Vielleicht finde ich etwas im Internet!"

Als Christians Mutter nach dem Mittagessen fragte, welche Hausübungen er zu erledigen hätte, antwortete er: "Eigentlich nichts Richtiges, nur etwas lesen!"

Er holte das Geschichtsbuch hervor, suchte die Seite 127 und begann zu lesen. Da ihn Geschichte nicht besonders interessierte, überflog er die Seiten nur und nach einer halben Stunde war er damit fertig.

"Schon fertig?" fragte die Mutter.

"Ja", antwortete Christian und verstaute das Buch wieder in der Schultasche.

"Was hast du denn gelesen?" bohrte seine Mutter nach.

"Ach, nur was über die Römer!"

"Und was hast du dir davon gemerkt?"

"Da hat Cäsar im Senat ...", hier stockte er. "Nein, zuerst hat er in zwei ... oder waren es drei Feldzüge ...?"

"Da ist ja nicht besonders viel hängen geblieben", mahnte die Mutter. "Hast du dir denn keine Notizen gemacht?"

"Aber wir sollten die paar Seiten doch nur lesen!"

"Zum richtigen Lesen gehört immer dazu, dass man sich wenigstens ein paar Aufzeichnungen macht!"  

Verschiedene Lesetechniken

In der Schule, im Studium und auch später im Berufsleben muss man sich Wissen alleine durch das Lesen von Büchern aneignen. Viele Menschen glauben, dass es gelingt, sich durch wiederholtes Lesen den Inhalt eines Textes einzuprägen. Diese Methode funktioniert jedoch nur bis zu einem gewissen Grad und eher bei sehr kurzen Texten. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Inhalte rasch verblassen und nach einigen Stunden und Tagen hat sich das Gelesene meist wieder verflüchtigt. Die meisten WissenschaftlerInnen, die Profis beim Lesen sein sollten, da für sie diese Tätigkeit zu den wichtigsten in ihrem beruflichen Alltag gehört, wenden grob betrachtet zwei Arten des Lesens an:

Das überfliegende Lesen ist ein schnelles flüchtiges, durch das man sich rasch informieren kann ohne allzu tief in einen Text einzudringen. Es hilft, einen kurzen Einblick in den Inhalt eines Buches oder eines Kapitels zu bekommen. Dabei erfährt man, worüber der Autor schreibt. Dass man sich dabei nicht allzu viel merkt, ist klar, aber Leseprofis notieren sich in ihrem Arbeitsbuch, auf »Karteikarten oder in ihrer Datenbank im Computer zumindest Autor, Titel und ein paar Stichworte. Vielleicht können sie es später einmal brauchen. Dieses Lesen ist also zur Erstinformation nützlich und kann eine gute Vorbereitung für die zweite Form des Lesen sein.

Beim lernenden oder studierenden Lesen kommt es darauf an, die Inhalte eines Textes möglichst genau zu verstehen und nachher zu wissen, was in dem Text steht. Nach diesem Lesen sollte man auch mit eigenen Worten die wichtigsten Inhalte wiedergeben können, etwa bei einer Prüfung oder einem Vortrag.

Bei dieser Form des Lesens wenden Profis verschiedene Tricks an.

So lesen Leseprofis

Der wichtigste ist dabei das Herausschreiben. Meist halten sie in kurzen Sätzen oder auch nur in Stichworten die wichtigsten Inhalte fest. Dazu verwenden sie Einlageblätter, die nur auf einer Seite beschrieben und dann in einem Schnellhefter ablegt werden.

Sie schreiben sich in ihrem »Exzerpt - so nennen das die Leseprofis - am Rand dazu, auf welcher Seite im Text das Herausgeschriebene steht, um später beim Wiederholen oder bei Unklarheiten im Originaltext nachschlagen zu können.

Bei einiger Übung - auch das Exzerpieren will geübt sein - wird man seine Aufzeichnungen immer übersichtlicher anfertigen, sodass man später schnell das Wesentliche herausfindet. Leseprofis verwenden manchmal Farbstifte, fertigen Zeichnungen, Übersichten und kleine Tabellen an.

Erfahrungsgemäß werden die ersten Exzerpte zu lang, weil man am Originaltext "klebt" und sich nicht getraut, eigene Formulierungen zu wählen und erst lernen muss, Wichtiges von Unwichtigem zu trennen. Aber auch Leseprofis haben so angefangen und machen oft von einem umfangreichen ersten Exzerpt ein zweites kürzeres.

Wenn man diese Methode als Vorbereitung für späteres Lernen anwendet, dann kann man sein Exzerpt auch in Form von Fragen und Antworten anlegen.


Unterhaltsames: Die erzwungene Lage und der Mangel aller körperlichen Bewegung beym Lesen, in Verbindung mit der so gewaltsamen Abwechslung von Vorstellungen und Empfindungen erzeugt Schlaffheit, Verschleimung, Blähungen und Verstopfung in den Eingeweiden, mit einem Worte Hypochondrie, die bekanntermaaßen bey beyden, namentlich bey dem weiblichen Geschlecht, recht eigentlich auf die Geschlechtstheile wirkt, Stockungen und Verderbnis im Bluthe, reitzende Schärfen und Abspannung im Nervensysteme, Siechheit und Weichlichkeit im ganzen Körper.
Karl G. Bauer: Über die Mittel dem Geschlechtstrieb eine unschädliche Richtung zu geben (1787)

Extratipp: Diesen Lerntipp gibt es auch in englischer Sprache: How do reading professionals read?



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