Lerntipps

Sperr dem Verstand eine Türe auf: Die Schlüsselwortmethode

SchlüsselwortClemens traf sich wie jeden Freitag nach der Schule mit seinem Vater im Cafe Meier am Pfarrplatz, um das Ende seiner Schulwoche mit einem gemeinsamen Mittagessen zu „feiern“. Wie immer las sein Vater die Zeitung, als Clemens das Lokal betrat, das sein Vater fast täglich in der Mittagspause aufsuchte, um bei einem Kaffee einen Blick in die internationalen Zeitschriften zu werfen. Heute las Clemens’ Vater gerade die New York Times.

Clemens war ein sehr guter Schüler und besaß eine ausgesprochene Begabung für Sprachen, wobei er scherzhaft manches Mal das Gespräch mit seinem Vater in der Sprache begann, die dieser gerade las. „Hello, Dad! How are you?“ begrüßte er heute seinen Vater. Wenn dieser aber gerade eine italienische Zeitung las, dann sagte er „ Ciao papà! Come stai?“ oder wenn dieser El Pais studierte, eine spanische Tageszeitung, dann begrüßte er ihn mit einem „¡Hola papá!“

„Hello, Clemens! I’ll just finish this paragraph!“ antwortete heute sein Vater, indem er auf dieses Spielchen einging.

Wie immer an einem Freitag erzählte Clemens seinem Vater, was sich in der letzten Woche in der Schule ereignet hatte, meist waren es erfreuliche Nachrichten von einer guten Schularbeit oder einem erfolgreich absolvierten Test.

Bei Kaffee und Kuchen, die ihr freitägiges Treffen meist beschlossen, erinnerte sich der Vater an ein Wort, das ihm in dem Artikel untergekommen war, den er gerade gelesen hatte, und bei dem ihm beim besten Willen nicht der deutsche Begriff einfiel: „Kannst du mir sagen, was das englische Wort „hose“ auf Deutsch heißt?“

„Hose ist ein Schlauch!“ erwiderte dieser wie aus der Pistole geschossen.

„Ach ja, das habe ich schon einmal gewusst! Aber Wörter, die so selten vorkommen, beginnt man irgendwann wieder zu vergessen“, seufzte sein Vater. „Man wird alt!“

„Ich merke mir das Wort deshalb so gut, weil es mich an das deutsche Wort Hose erinnert, bei der die Hosenbeine wie ein Schlauch ausschauen!“

„Eine gute Idee,“ meinte sein Vater, „dann kann man sich das Wort gleich leichter merken.“

Wie funktioniert die Schlüsselwortmethode?

Diese Methode, mit der sich Clemens an die deutsche Bedeutung des Wortes erinnert hatte, nennt man „Schlüsselwortmethode“, die beim Lernen fremder Sprachen sehr hilfreich sein kann. Es ist zwar keine Methode, mit der man sich alle Vokabel einprägen kann – das wäre viel zu aufwändig -, sie ist aber gut geeignet, um sich selten verwendete Begriffe zu merken.

Die Schlüsselwortmethode baut wie die Eselsbrücken (Lerntipp „Bau dem Esel eine Brücke!“) auf den Grundlagen der Arbeitsweise des menschlichen Gehirns auf. Demnach kann man sich neues Wissen dann am leichtesten einprägen, wenn es mit bereits vorhandenem Wissen verknüpft werden kann. Zum fremdsprachigen Wort muss daher ein ähnlich klingendes Wort in der Muttersprache gefunden werden; oft genügt es schon, wenn das Wort nur teilweise wie das fremdsprachige Wort klingt.

Dieses muttersprachliche Wort übernimmt die Rolle des Schlüssels, mit dem man gewissermaßen „seine Erinnerung aufsperren“ kann. Das Schlüsselwort wird dabei durch die akustische Ähnlichkeit an den fremdsprachigen Begriff gebunden und stellt gleichzeitig eine bildhafte Verbindung zwischen dem Schlüsselwort und der Übersetzung der Vokabel her.

So soll z.B. das englische Wort „duck“ (Ente) gelernt werden. Das Wort klingt gesprochen ähnlich wie das deutsche Wort „Dock“. Man kann nun eine bildhafte Verbindung dadurch herstellen, dass man sich ein Dock vorstellt, in dem statt eines Schiffes eine riesengroße Ente schwimmt.

Hört man nun das Wort „duck“, so denkt man an das ähnlich klingende Dock, erinnert sich an die große Ente, die im Dock schwimmt, und die Übersetzung ist gefunden.

Beim einleitenden Beispiel unseres Lerntipps war „Hose“ ein solches Schlüsselwort, dessen Bedeutung man mit dem englischen Wort „hose“ verbinden kann, das zwar anders ausgesprochen wird, aber fast gleich geschrieben wird. Clemens stellte sich dabei vor längerer Zeit einmal eine lange und sehr schlanke Hose vor, die wie ein Schlauch sehr eng am Körper sitzt. Dieses Bild hat er seither nicht mehr vergessen.

Um das Prinzip zu verdeutlichen, noch einige Beispiele:

Wissenschaftlicher Hintergrund der Schlüsselwortmethode

Die Schlüsselwortmethode wurde sogar in einigen wissenschaftlichen Studien untersucht. Forscher ließen amerikanische Studenten drei Tage jeweils 40 russische Vokabeln lernen. Am vierten Tag wurden alle 120 Vokabeln abgefragt. Die Gruppe, die nach der hier beschriebenen Methode gelernt hatte, erinnerte 72% der Vokabeln gegenüber 46% in der Gruppe, die „normal“ gelernt hatte. Bei spanischen Wörtern war der Unterschied noch deutlicher. Man nimmt daher an, dass die Methode bei ähnlichen Sprachen besser funktioniert. Um die Schlüsselwortmethode möglichst erfolgreich zu verwenden, sollte die akustische Ähnlichkeit des Fremdwortes mit dem Schlüsselwort möglichst groß sein.

Dieses sollte auch so gewählt werden, dass man ein einprägsames Bild zur Verknüpfung mit der Übersetzung entwickeln kann, wobei seltsame und ungewöhnliche Bilder sich am besten einprägen, wie es etwa beim Beispiel „chien-Schi“ der Fall ist.





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