Bei einer Geografieprüfung hatte die Lehrerin nach der Hauptstadt von Rumänien gefragt und Christine hatte zuerst gezögert, weil sie sich nicht zwischen „Bukarest“ und „Budapest“ entscheiden konnte - und sich dann prompt für die falsche Antwort „Budapest“ entschieden. Obwohl sie gleich zögerlich „... oder Bukarest?“ nachgeschoben hatte, ließ die Lehrerin die Antwort nicht mehr gelten.
„Warum kann ich mir das nicht merken!“ haderte Christine mit sich selber. „Immer wieder verwechsle ich die beiden Hauptstädte!“
„Bau dir doch eine Eselsbrücke“, riet ihr die Lehrerin am Ende der Prüfung. „Dann verwechselst du das nie wieder im Leben.“
Als sie ihrer Mutter davon erzählte, meinte Christine: „Ich bin doch kein Esel!“
„Das hat die Lehrerin sicher nicht gemeint! Eine Eselsbrücke ist einfach ein Hilfsmittel für unser Gedächtnis.“
Als Christine in ihrem Lexikon nachschlug, fand sie folgende Erklärung: „Eine Eselsbrücke (mittellateinisch pons asinorum) bezeichnet in der Gedächtniskunst die Benutzung sachfremder Lernhilfen zur leichteren Einprägung unterschiedlicher Lerninhalte, z.B. Merkverse, Regeln oder Reime. Diese im Mittelalter recht verbreitete Gedächtnistechnik ist heute weitgehend vom sinnerfassenden Lernen verdrängt worden und nur noch in spielerischen Formen in Gebrauch. Oft handelt es sich dabei um einen leicht einzuprägenden Satz, der sich reimt, oder dessen Wort-Anfangsbuchstaben auf das hinweisen, was man sich merken will. Übrigens gab der griechische Mathematiker Euklid von Alexandria seinem Satz über gleichschenklige Dreiecke den Namen pons asini, also Brücke des Esels.“
Auch eine Erklärung für die Herkunft des Wortes fand sich: Esel weigern sich normalerweise beharrlich, auch kleinste Wasserläufe zu durchwaten. Daher baute man früher kleine Brücken, um mit den Lasttieren weiter zu kommen. Eine Eselsbrücke ist also ein kleiner Umweg, den man auf sich nimmt, am sicher ans Ziel zu kommen.
Es gibt zahlreiche berühmte Eselsbrücken, die schon in manchen Schulbüchern stehen oder auch von LehrerInnen und SchülerInnen weitergegeben werden. In diesen Eselsbrücken sammeln sich in gewissem Sinn die Merkprobleme früherer Schülergenerationen. Fragt nur Eure Eltern, die werden sich bestimmt an einige erinnern können. Einige Beispiele:
Die Ursache für solche Verwechslungen liegt darin, dass Menschen das Erlernen von Faktenwissen ohne inneren, logischen Zusammenhang schwer fällt. Etwas, das man nicht verstanden hat, kann sich nur sehr schwach in unserem Gedächtnis einprägen, sodass es bald vergessen wird oder man bei Unterscheidungen zwischen mehreren Möglichkeiten unsicher bleibt. Eine Eselsbrücke wie ein Reim unterstützt z.B. das akustische Gedächtnis und nutzt den Klang zur Erinnerung an die eigentlichen Fakten. Die optische Hilfe mit den Monatstagen haben wir in Form unserer Hände immer bei der Hand. Der berühmte Knoten im Taschentuch, der uns an etwas erinnern soll, ist auch eine Art Eselsbrücke.
Aber nicht für alle Fälle gibt es solche Eselsbrücken, sondern wie in unserer Geschichte geht es häufig um eine ganz persönliche Verwechslung von Fakten, die einfach nicht ins Gedächtnis wollen. In vielen Fällen ist es auch weniger ein Problem der Schwierigkeit des Lernstoffes, sondern eher die Angst, etwas zu verwechseln, die dann bei der Prüfung unsicher macht, was denn nun tatsächlich die richtige Antwort ist.
In Christines Fall kann sie sich ihre eigene Eselsbrücke bauen. Etwa indem sie in einem Atlas den Verlauf der Donau anschaut - sie fließt durch Budapest hindurch und 60 km südlich an Bukarest vorbei – und sich dann bei den Städtenamen merkt, dass Budapest im Alphabet vor Bukarest kommt. Manche Eselsbrücken scheinen auf den ersten Blick tatsächlich ein „Umweg“ zu sein, denn man muss sich wesentlich „mehr“ merken als die Bezeichnungen -, allerdings kann ein solcher Umweg auch in unserem Gedächtnis sicherer zum Ziel führen als der scheinbar direkte Weg.