"Zähle mir bitte die Gründungsstaaten des Europarats auf", sagte der Geografielehrer zu Martin. Der überlegte nicht lange und legte los: "Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, "
Hier stockte sein Redefluss und er schaute hilflos in die Klasse.
"Luxemburg" flüsterte sein Banknachbar Patrick und Martin wiederholte:
"Luxemburg und "
"Niederlande," flüsterte Patrick.
"Niederlande!"
"Und sind das alle?" fragte der Lehrer nach.
"Ja nein ", zögerte Martin.
"Es fehlen zwei! Wie viele sind es denn insgesamt?"
"Zehn", erinnerte sich Martin.
"Das waren aber erst acht!" betonte der Lehrer und ergänzte: "Norwegen und Schweden."
"Es ist ein Hammer solche Listen zu büffeln," meinte Martin in der Pause zu Patrick, "die kannst du tausendmal wiederholen, einen der blöden Staaten vergisst du doch!"
Damit spricht Martin etwas an, das viele SchülerInnen kennen, wobei es besonders schwierig ist, wenn zwischen den Bestandteilen solcher zu lernenden Listen kein »logischer Zusammenhang besteht. Bei unserem Beispiel handelt es sich um zehn Ländernamen, die alphabetisch geordnet untereinander im Lehrbuch stehen, was offensichtlich die einzige Ordnung bildet. Zwar stellt das Nichtwissen dieser zehn Länder nicht unbedingt eine Bildungslücke dar, und jeder Lehrer weiß, dass sich das meiste Schulwissen spätestens nach einer Woche wieder verflüchtigt, aber aus der Sicht eines Schülers verpatzt eine solche Erinnerungslücke dennoch häufig eine gute Note.
Es gibt die Eigenart des menschlichen Gedächtnisses, dass es sich im Durchschnitt für kurze Zeit etwa sieben Dinge auf einmal merken kann, was auch beim Einprägen und Üben eine wichtige Rolle spielt. Wenn es mehr als sieben Dinge sind, dann verschwinden die überzähligen rasch aus den Gehirnwindungen bzw. werden rasch vergessen, so wie die restlichen Staaten, die Martin bei der Prüfung in Geografie nur mithilfe seines Banknachbarn Patrick nennen konnte. Bei unserem Beispiel kommt hinzu, dass diese Ländernamen von Martin in alphabetischer Reihenfolge gebüffelt wurden, also nach einem Muster, das nichts mit dem Ereignis "Gründung des Europarates" zu tun hatte.
Wie kann man mit längeren Listen beim Lernen sinnvoll umgehen? Eine Möglichkeit ist, sie einfach noch viel länger und ausdauernder zu üben, aber das kostet Zeit und die fehlt SchülerInnen bekanntlich am meisten. Man kann aber die "Siebenerregel" des Gedächtnisses sogar ausnützen, indem man eine lange Liste in sieben oder sogar weniger Gruppen zerlegt. Bei unserem Beispiel müsste man sich nur drei Ländergruppen merken, zu denen man diese zehn Länder logisch zusammenfasst - zum Vergrößern auf Bild klicken!:
Wir haben es daher beim Lernen nicht mehr mit zehn alphabetisch geordneten Wörtern zu tun, sondern es sind drei sinnvoll gruppierte Länderblöcke, was einem auch noch hilft, die politischen Zusammenhänge dieser Zeit besser zu verstehen. Martin hätte daher nur drei Gründerblöcke lernen müssen: Benelux, Skandinavien, Siegermächte. Er hätte dann bei der Prüfung etwa so geantwortet, wie wir sie in den drei Blöcken zusammengefasst haben und hätte auch kein Land dabei vergessen. Beim Lernen wäre es dann vielleicht auch nützlich gewesen, diese drei Ländergruppen durch eine Zeichnung auf einer Europakarte optisch darzustellen, wie wir es auf dem Bild getan haben.
*) In der Lernpsychologie bezeichnet man das Zusammenfassen von mehreren Begriffen zu einem Begriff als Chunking, was nichts anderes bedeutet als "Klumpen bilden".