Als Alexandra bei der Prüfung in Informatik saß, sollte sie die zwölf wichtigsten Bestandteile eines modernen Computers aufzählen. Sie hatte zuhause fleißig gelernt, aber solche Aufzählungen hasste sie, denn wenn man alles auch zwanzigmal wiederholte, bei der Prüfung vergaß man vor Aufregung und unter Zeitdruck bestimmt einen Teil davon. Und bei der Berechnung der Note zählte jede Antwort als ein Punkt!
Sie erinnerte sich an eine Fernsehsendung, in der ein Gedächtniskünstler dreißig Wörter, die ihm das Publikum zugerufen hatte, danach in derselben Reihenfolge wiederholen konnte. Aber noch besser: er konnte das auch in der umgekehrten Reihenfolge und schließlich verblüffte er das Publikum, als er auch sagen konnte, was das dreiundzwanzigste, elfte oder siebzehnte Wort gewesen war. Alexandra überlegte, welchen Trick der Mann verwendet haben könnte, angefangen von einem versteckten Diktiergerät bis zu einem kleinen Sender, über den ihm ein Gehilfe hinter der Bühne die Antworten vorsagte, aber die Antworten kamen viel zu schnell, als dass das hätte funktionieren können.
Immer wieder kommt es vor, dass man für Prüfungen Listen und Aufzählungen lernen muss, deren Bestandteile nicht sinnvoll zusammenhängen oder in einer logischen Reihenfolge verkettet sind. Das trifft auch auf die Wörter zu, die das Publikum dem Gedächtniskünstler zurief. Dieser verwendete dafür einen Trick, den man auch als SchülerIn nutzen kann: man schickt eine solche Liste auf eine "»Reise".
Ein Beispiel für eine solche Reise ist Benjamins Schulweg, der aus einzelnen "Stationen" besteht, denen er einmal eine Nummer zugeordnet hatte.Zwar ist sein Schulweg hier noch nicht zu Ende, aber als Beispiel reichen diese zwölf ersten Stationen aus. Wichtig ist, dass diese Reisestationen ganz fest im Gehirn als Anker abgespeichert sind, mit denen man die Bestandteile der zu lernenden Liste verknüpfen kann. Man nimmt also am besten Wege, die man "im Schlaf" gehen könnte.
Um sich also die Liste der Computerbestandteile "Tastatur, Hauptspeicher, Maus, Schnittstellen mit Kabeln, Arbeitsspeicher, Modemkarte, Gehäuse mit Ventilator, Grafikkarte, Festplatte, Prozessor, Bildschirm und Diskettenlaufwerk" einzuprägen, wird jeweils eine Station mit einem Begriff der Liste durch ein möglichst einprägsames "Bild" verbunden.
Ich sehe auf dem Platz vor unserem Haus einen Adler auf eine Tastatur einhacken, wobei er die Tasten in den Brunnen wirft, in dem unser Trinkwasser hauptsächlich gespeichert wird. Vor der Bäckerei sitzt eine hungrige Maus und wartet darauf, dass ich meine Jause, eine aufgeschnittene Semmel mit Kabelsalatfüllung hole. Beim Postamt tragen ein paar Arbeiter eine riesige Schachtel, auf der SPEICHER geschrieben steht. Auf der Sitzbank sitzt eine modern gekleidete Dame, die ihre Fahrkarte in der Hand hält. Als der Bus kommt verwandelt sich dieser in ein Schneckengehäuse mit einem riesigen Ventilator, in das die Dame hineingeblasen wird. Auf dem Taubenmarkt flattern die dort sitzenden Tauben erschrocken in die Höhe und lassen die Grafikkarten fallen, die sie sonst immer im Schnabel halten. Bei der nächsten Station putzt ein Mann fest die Granitplatte, auf der "Allgemeine Sparkasse" eingraviert ist. Beim Theater macht der Busfahrer kurzen Prozess und setzt alle auf die steile Straße, auf der die Passagiere einen großen schweren Bildschirm hinaufschleppen müssen. Endlich beim Sportverein angelangt, laufen alle zum Wurfkreis, um dort den Diskus zu schleudern.
Auch wenn diese Geschichte viel umfangreicher scheint als eine bloße Liste der Bestandteile eines Computers, prägen sich die teilweise ungewohnten Bilder leichter ein und können auch in der gewünschten Reihenfolge wiedergegeben werden. Wichtig ist, dass man sich die Geschichte mit ihren Bildern selber ausdenkt, denn nur dann findet diese Verknüpfung mit den Stationen der Reise statt. Diesen "Reiseweg" kann man natürlich immer wieder verwenden, wobei dann ein zeitlicher Abstand zwischen den Einsätzen liegen sollte, damit man nichts durcheinander bringt.
Zu diesen in der Fachliteratur als Loci-Technik bezeichneten haben wir im Internet ein weiteres Beispiel gefunden, das zehn Orte eines Hauses benutzt:
Als Beispiel wird ein kurzes Referat über die einheimischen Frösche verwendet.
Eine weitere "Reise" nutzt den eigenen Körper, die den Vorteil hat, dass man die "Orte" immer mit sich herumträgt ;-)
Quellen: E-Mail Newsletter 02.10.08 von Lernen und Fördern
[werner werner stangl]s arbeitsblätter: Spezielle Mnemotechniken (07-07-07)